Gründe für die Fragmentierung der Android-Versionen

A

Andi_K

Enthusiast
6.641
Hallo zusammen,

ich hab mal eine eher grundsätzliche Frage.
Vielleicht kann mir ja einer der Fachleute ein bisschen auf die Sprünge helfen, damit ich das besser verstehe.

Von PCs und Laptops ist man es ja gewohnt, dass man sich ein Gerät eines beliebigen Herstellers kauft, und dann dort das Betriebssystem aus dem Hause Microsoft installieren kann. Bei einem Dell-Laptop muss ich nicht warten, bis Dell irgendwann Win10 ausrollt, sondern ich besorge mir das OS bei Microsoft und los geht's.

Warum ist das bei Android nicht möglich?
Dass die Hersteller das evtl nicht wollen, weil sie ihre eigenen UIs unter's Volk bringen wollen ist eine Sache, aber es scheint ja auch technisch nicht so einfach zu gehen. Sonst bräuchte es ja nicht für jedes Gerät eine angepasste Version der diversen Custom Roms, und sonst könnte ich mir ja einfach Vanilla-Android auf mein Gerät installieren.
Wie gesagt, mir geht es nicht um die Hürden (Knox-Counter etc), die die Hersteller an der Stelle einbauen, sondern um die systembedingten Gründe, warum das nicht geht.

Liegt das an den verwendeten Prozessoren?
Oder sind die Treiber für die verbaute Hardware tiefer ins System integriert als bei Windows?

Sorry, falls die Antworten für einige von Euch offensichtlich sein sollten, aber der "Android-Experte" zu dem mich die Forensoftware freundlicherweise erklärt hat, bezieht sich bestenfalls auf Teilbereiche... ;-)

Danke schonmal & schönen Gruß
Andi
 
Ich erkäre mir das so:

Ein Standard Betriebssystem wie Windows kümmert sich weniger um die Hardware, weil die Installationsroutine erst mal die HW-Konfiguration des PCs prüft und dann aus einem "All-inclusive" Baukasten auf der DVD alle notwendigen Komponenten zusammensammelt und installiert. Android-Software ist "embedded Software".

Also einmal wird die Software passgenau gestrickt und das andere mal wird sie passgenau auf die vorhandene Hardware zusammengestellt.
Als einmal ist die Software individualisiert und das andere mal konfiguriert - daher hinkt der Vergleich zw. mobilem Endgerät und PC immer.

Der Bauchladen von Samsung beinhaltet mittlerweile vermutlich einige hundert mobile Endgeräte. Für fast jedes dieser Geräte muß die Software also individuell angepasst werden. Jedes dieser Geräte hat ja eine andere HW-Konfiguration bezüglich Prozessor, RAM/ROM, Kameras und sonstiger Funktionen.

Zudem muß für jedes dieser Geräte eine Anleitung geschrieben werden und für jedes dieser Geräte müssen Techniker, Reparaturdienste und Hotlinemitarbeiter geschult werden.

Hinzu kommt das "branding" oder "customizing" - also herstellerspezifische Balkone, die in den Vanilla-Code eingebracht und getestet werden müssen. Das Testing in der Industrie läuft dann schon etwas anders als beim Custom_ROM-Entwickler und beschränkt sich nicht auf Einschalten, kurz 2-3 Funktionen durchprobieren - Fertig ist die neue Beta. Auch hier geht viel Zeit drauf. Im Automobilbau werden Dauerläufe gefahren um die Haltbarkeit und Funktionalität von Fahrzeugen zu prüfen. Ich nehme an, vergleichbares läuft auch bei den großen Herstellen ab, um sicher zu stellen, dass die Software auch über längere Zeit stabil läuft und entsprechendes Akkuverhalten etc. nachgewiesen wird und keine schädliche Rückwirkung auf die Hardware zeigt.

Zuletzt der Update-Prozess selbst. OTA sollte ja sicher funktionieren. Aber für Hersteller, die millionenfach verschiedenste Geräte verkauft haben, die alle in unterschiedlichem Zustand sind ist diese Aufgabe auch nicht zu unterschätzen, hierfür einen sicheren Prozess bzw. Download und Installation zu entwickeln, der dann für die meisten Endgeräte auch funktioniert - unabhängig vom Zustand.

Dementsprechend hoch ist der Pflegeaufwand über die Zeit und auch Wille die Geräte langfristig mit Updates zu versorgen.

Lieschen Müller, die sich für 150EUR ein S4mini kauft wundert sich schon wenn kein Netzteil im Paket drin liegt und das Handbuch noch online abgerufen werden muß. Ruckzuck wird die Hotline angerufen - und da schließt sich dann der Kreis.

Wo der Rollout dagegen schnell geht, ist z.B. bei großen Custom-ROM-Plattformen wie z.B. CM bzw. neuerdings LineageOS.
So ähnlich wie bei Windows gibt es dann den großen "Master-Code" und die Konfiguration dieses Masters auf das jeweilige Gerät wird dann vom jeweiligen Developer durchgeführt. Und in Summe profitieren alle durch das gemeinsame Testing, da die Basis ja überall gleich ist. Nur das wollen die Hersteller natürlich nicht.
 
  • Danke
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Na ja, es wäre natürlich für jeden Hersteller möglich, alle seine verkauften Geräte stets aktuell zu halten. Aber das kostet ne Menge Geld und Entwickler/Tester für die Anpassungen bzw. Fehlersuche. Nicht zu vergessen, dass viele Mobilfinkprovider nochmal extra Anpassungen an den Geräten vornehmen, was noch mehr Geld und Ressourcen verschlingt.
Ich denke, das Ganze wird nicht in den Griff zu bekommen sein. Selbst wenn Google zukünftig alle Systemupdates liefern sollte. Die Anpassungen des Android an die Hardwarekomponenten (Treiber) muss jeder Hersteller selbst stemmen. Goggle kann nicht jede Hardwarekombination vorhersehen oder unterstützen.
Wer zumindest zwei Jahre ein stets aktuelles Android Gerät haben will, kommt eigentlich kaum an den Nexus/Pixel Geräten von Google vorbei. Alle anderen Gerätehersteller haben zumindest für größere Updates immer Verzögerungen.

In Bezug auf die Fragmentierung hat ein geschlossenes System mit wenigen eigenproduzierten Geräten schon Vorteile. Aber wir wollen hier ja nicht Äpfel mit Androiden vergleichen. ;-)
 
  • Danke
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Danke für die Erläuterungen.

Der enorme Aufwand war mir schon bewusst. Was mir nicht klar war, war warum der nötig ist. Zum einen durch die Hersteller-Aufsätze und Brandings, klar. Aber ist ja ein selbst gewähltes "Problem" der Hersteller.

Ich wollte gerne verstehen, warum Android grundsätzlich, also systembedingt, nicht ohne Anpassungen so flexibel auf unterschiedlicher Hardware einsetzbar ist wie zB Windows.

@magicw 's Erläuterung mit der individualisierten vs konfigurierten Software erklärt das sehr gut, genauso wie Dein (@mausbock ) Hinweis auf die Treiber, was ja in die gleiche Richtung geht.

Letzendlich hilft gegen die extreme Fragmentierung wohl nur das was ich in einem anderen thread schon geschrieben hatte: deutlich längere Intervalle zwischen den Versionssprüngen...

Schönen Gruß
Andi
 
Hallo Andi,

noch mal paar Worte von mir.
Klar, die Hersteller werden nicht gezwungen, Android anzupassen. Aber ich finde es gerade gut, dass sie es machen. Als Beispiel mal Samsung, auf deren TouchWiz gern rumgehackt wird. ;-)
Die hatten z.B. schon sehr früh diese extrem praktischen Quick Settings in die Benachrichtigungsleiste reingebaut und das fand bzw. find ich persönlich klasse. Google hat das erst viel später in Android eingebaut. Der Fingerprintsensor ist ein weiteres Beispiel, wo Samsung vor Google ein Implementierung gewagt hat.
Klar sind das natürlich auch Punkte, die u.a. die Updates verzögern.

Aber die Anpassung an die Hardware ist, denke ich das größere Problem. Im PC Markt git es ja grob gesagt nur zwei Hersteller von CPUs und zwei für Grafikkarten. Damit gibt es bei diesen beiden Hauptkomponenten weit weniger Vielfalt als bei Android. Und selbst bei den PCs gibt es derzeit die Ankündigung, dass Intel Kaby Lake bzw. AMD Ryzen CPUs Windows 7 nicht mehr unterstützen werden. Andererseits gibt es auch immer wieder Geräte, für die kein Treiber in einer neuen Windowsversion angeboten wird. Gerade bei Notebooks und dem Wechsel von Windows XP auf Windows 7 hab ich das einigemale erlebt.
Vorteil von Windows ist jedoch, dass die Treiber von den Komponentenherstellern geleifert werden können und nicht nur vom Gerätehersteller. Ich muss beipielsweise also nicht unbedingt auf Dell warten, sondern kann mir den Grafikkartentreiber ggf. gleich von Nvidia runterladen.
Bei Android muss die komplette Software von einem Gerätehersteller kommen und der muss hoffen, das die Zulieferer der Komponenten ihm neue Treiber liefern und die dann ggf. noch auf Performance oder Akkuverbrauch optimieren.
 
  • Danke
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Hi,

ja da hast Du sicher Recht.

In "meiner idealen Android-Welt" gäbe es halt ein, immer relativ aktuelles, Vanilla das auf allen Geräten lauffähig ist. Und zusätzlich dann noch verschiedene Hersteller-Aufsätze, die funktional erweitert, dafür aber weniger aktuell sind.

Schönen Gruß
Andi
 
  • Danke
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