Editorial: Wie man es mit der Angst vor digitaler Spionage deutlich übertreiben kann

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don_giovanni

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Zum Thema NSA und Co. haben wir uns in der Vergangenheit ab und zu ein wenig geäußert, sind jedoch nicht dem großen Tohuwabohu gefolgt und haben nicht in Endlosschleife davon berichtet, wie "unsicher" und von Regierungsspitzeln durchdrungen doch das "freie" Internet ist. Das haben andere zur Genüge getan und für all diejenigen, die erst jetzt geschlussfolgert haben, dass man sich nirgendwo in einem rechts- und überwachungsfreien Raum bewegen kann, gibt es schließlich auch Produkte wie das Blackphone oder End-to-end-Verschlüsselung, mit denen man sich "sicher" fühlen kann und seine amorösen Annährungsversuche zur Nachbarin nun auch frei von gierigen Blicken der NSA und der anderen Nachrichtendienste weiß. Man verzeihe mir an dieser Stelle meine Polemik und Abgeklärtheit in dieser Sache, aber ich habe mich über all das Theater vom ersten Tag an einfach nicht gewundert, denn eigentlich hätte man es doch wissen können/müssen: Spionage ist wohl so alt wie das Wissen selbst. Und die Macht von Regierungen und Herrschenden hat sich immer schon zu einem Gutteil darauf gegründet, umfassend über Hintergründe und Kleinigkeiten informiert zu sein. Man spricht nicht umsonst vom Wissensherrschaft, wenn jemand einem anderen Kraft besseren Wissens überlegen ist. Dass wir also auch im 21. Jahrhundert in unserer gefühlten Anonymität im Internet und auf unserem intelligenten Mobiltelefon nicht ganz frei und unbefangen seien können mit dem, was wir da so tun, hätte man sich deshalb schon lange vor dem großen NSA-Skandal denken können, respektive müssen. Natürlich ist es nicht toll, wenn man weiß, dass die privaten Daten jederzeit durch irgendwen abgefangen werden können. Aber das konnten Hacker auch schon Jahre vor dem großen Skandal. Und auch die deutsche Bundesregierung kann durch ihre verschiedenen Justizorgane schon ewig Telefongespräche mitschneiden und speichern, dazu gab es in den 1970er Jahren schon einmal große Schlagzeilen.

Das ist eine ungünstige Situation, wenn man sich ihrer erst plötzlich bewusst wird. Aber auch wenn man es erst anno 2013 realisiert hat: Diese Situation war schon sehr, sehr viel länger da. Jetzt haben "sichere" Messenger Hochkonjunktur, es geht um den Schutz der persönlichen Daten, die man im Internet doch eigentlich immer so sicher verwahrt wusste. Moment, Halt Stop! Sicher? Im Internet verwahrt?! Seit wann ist irgendetwas im Internet sicher aufgehoben und geschützt? Wieso heißt es, "Das Internet vergisst nie", weshalb werden immer wieder Email-Accounts en masse gehackt? Weil diese Sicherheit immer nur gefühlt ist. Weil alles, was wir über uns preisgeben oder in einer Cloud hochladen auch für andere zugänglich ist. Und eben nicht nur für diejenigen, die wir bei Google Drive für unsere Inhalte freigeben. Um sich mit dieser Situation angemessen auseinanderzusetzen, kann man eigentlich nur zweierlei Dinge tun: Entweder, man versucht sich wie verrückt zu schützen, sammelt VPN-Verschlüsselungen, benutzt neue Sicherheits-Messenger, verlängert alle Passwörter bis zum Maximum - und vertraut dabei aber trotzdem immer darauf, dass die Entwickler derartiger Produkte nicht doch ihre Hintertür für die NSA öffnen. Alternativ kann man es aber auch weniger aufwändig angehen lassen - indem man nämlich nur diejenigen Daten von sich im Internet preisgibt und auf dem Telefon speichert, die man auch dem Würstchenverkäufer vor dem nächsten Karstadt ohne Bedenken anvertrauen würde. Man legt zudem ein "sicheres" Passwort für seine Emails an und unterhält nicht mit all zu vielen Terror-Organisationen Brieffreundschaften. UND DANN lehnt man sich entspannt zurück und lässt den ganzen Wust an sich abperlen und vorbeirauschen. Und hört auf, sich ständig Sorgen zu machen. Denn sonst passiert irgendwann so etwas, wie auf dem unten angefügten Bild.


In Anbetracht der oben erwähnten Problematik hat eine Firma aus Österreich einen praktischen Überwurf entwickelt, der den Träger vor elektromagnetischen Wellen abschirmen soll. In diesem Fall geht es jedoch nicht um Feng Shui oder Elektrosmog, sondern um die Ortung von Handys: Diese sollen einfach in die Kleidung gesteckt werden können und "verschwinden". Von Edward Snowden ist die Geschichte bekannt, dass er die Smartphones von Besuchern in seinem damaligen Exil in Hongkong in den Küglschrank gelegt hat, damit man diese nicht verfolgen könne. Diesem Beispiel folgt der Mantel von Coop Himmelb(l)au, welcher aus metallisiertem Stoff gefertigt ist und in dem sich zahlreiche Taschen für Smartphones und Tablets finden. "It is not about hiding, but an individual decision about ones visibility in an environment where the controlling mechanisms are increasing", erklärte der CEO und Design-Chef der Firma dem britischen Wired-Magazin. Zudem sei der "CHBL Jammer Coat" (so heißt das Produkt mit ganzem Namen) dafür da eine "illusion of strange multiple body parts, which hides and frees the individual physicality" zu erzeugen. Und weiter heißt es noch: "Sometimes in our controlled society, disappearing can be liberating." Für manche trifft dieses Teil wohl den Nerv der Zeit - und womöglich sieht man demnächst auch den ein oder anderen Menschen mit solch einem Teil herumlaufen. Dafür kann zwar niemand meine SMS lesen, während ich entsprechend gekleidet bin ... aber möchte ich auch unter eine solchen Bettdecke schlafen? Vielleicht gar mein ganzes Haus, mein Auto, meinen Gartenpavillon entsprechend auskleiden, um niemals irgendwo "sichtbar" zu sein?! Das ist doch eine super Idee! So ist das Leben sicherlich viel leichter, gesünder und entspannter.

[Nachtrag]
Hinweis für den Diskussionsthread:
Ich möchte hier persönliche Meinungen von euch zu dem oben eingeführten Thema hören und keinen verbalen Schlagabtausch zwischen den Usern aufgrund unterschiedlicher Standpunkte in dieser Sache. Es gibt mehr als einen Standpunkt zum Thema NSA, Datensicherheit und Co. und eine einzige Wahrheit gibt es in dieser Sache wohl nicht. Insofern möchte ich um eine sachliche Diskussion bitten und um die Beachtung der Forenregeln.

cloak-fullbleed.jpg
Pics: chbl

Weitere Infos zum Produkt CHBL Jammer Coat findet ihr hier.

[OFFURL="https://www.android-hilfe.de/plauderecke/578355-digitale-spionage-kann-man-es-mit-der-angst-vor-ihr-auch-uebertreiben.html#post7722500"]Diskussion zum Beitrag[/OFFURL]
(im Forum "Plauderecke")

Weitere Beiträge auf Android-Hilfe.de
Blackphone: Sicher surfen & telefonieren mit "Privat OS"
Abhör-Alarm? Was die NSA mit Googles AOSP zu tun hat (und was eher nicht)
Datensicherheit: So offen ist der Zugang von Geheimdiensten zu unseren Daten

Quellen:
Wired UK
engadget
Coop Himmelb(l)au
 
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